Meine Medizin

Als ich vor 35 Jahren mein deutsches und amerikanisches medizinisches Staatsexamen absolviert hatte und begann, Patienten zu behandeln, war meine Sichtweise der Medizin krankheitsbezogen, also nosologisch orientiert. Man wurde in der Klinik auf das Aufspüren und Behandeln menschlicher Krankheitsbilder mit breiter apparativer und logistischer Unterstützung trainiert, der Patient wurde primär als Träger einer Krankheit wahrgenommen, damals führte ich Visiten an "der Gallenblase" oder "dem Blinddarm" von gestern durch, also Patienten, denen ich selbige am Vortage entfernt hatte. Mitunter schlich sich beim klinisch-breitgefächerten diagnostischen Treiben fast ein Gefühl der Befriedigung ein, wenn man etwas gefunden hatte, man fühlte sich irgendwie in seiner ärztlichen Kompetenz bestätigt.

Im Laufe der Jahre hat sich dieses Gefühl bzw. Medizinbild gründlich geändert. Auch heute noch hängt mein ganzes Herz an diesem Fach, ich forsche noch immer begeistert nach den Diagnosen meiner Patienten, wenn auch mit schmalerer apparativer Ausstattung als in meiner klinischen Zeit, dafür aber mit bedeutend höherem Einsatz meiner 5 Sinne. Jedoch: heute freue ich mich, wenn ich nichts finde. Das ist der erste Paradigmenwandel "meiner Medizin".

Der zweite Umbruch ist die zunehmende Änderung der Schwerpunktsetzung weg von der kurativen Medizin mit Stahl, Strahl und Chemie hin zur Präventivmedizin, also der vorbeugenden Medizin. Ich habe über 30 Jahre lang Krebspatienten behandelt und begleitet, Zuckerkranke, Hypertoniker, Gichtpatienten und Arthrosekranke mit immer neuen Medikamenten therapiert, dabei aber eigentlich immer zu wenig Energie in die Prävention dieser Erkrankungen gesteckt.

Diese Paradigmenwechsel sind eingebettet in eine zunehmend "ganzheitliche" Betrachtungsweise des Kranken als ein Verbund von Körper, Seele und Geist. Störungen einzelner Komponenten dieser Einheit können nun einmal zur Beeinträchtigung des Gleichgewichts zwischen diesen Komponenten und letztendlich zu einer mehr oder weniger schweren Erkrankung führen. Dabei verstehe ich "ganzheitlich" nicht so sehr im Sinne der eher mystischen Ausgestaltung dieses Begriffes bei vielen Alternativmedizinern, sondern als ein Wahrnehmen des kranken Menschen in seiner Wechselwirkung mit den Belastungen von Arbeit und Beruf (also die genuin arbeitsmedizinische Sichtweise) und seiner Einbindung in die Familie und sein gesamtes soziales Umfeld, mithin Zusammenhänge, die sich oft erst nach jahrelanger hausärztlicher Versorgung meiner Patienten erschließen, weshalb der "Hausarzt" eigentlich besser "Familienarzt" heißen sollte, werden viele Erkrankungen doch erst in der Kenntnis der ganzen Eingebundenheit körperlicher und seelischer Beschwerden in diesen sozialen, familiären und beruflichen Kontext verständlich.

Zudem konnten jüngste psychoneuroimmunologische Forschungsergebnisse eindeutige Wechselwirkungen zwischen Psyche, Gehirn und Immunsystem nachweisen und damit sogar für dem kritischen Betrachter den großen Einfluss geistiger und seelischer Befindlichkeitsstörungen auf das Immunsystem und damit auf unsere gesamte Gesundheit beweisen.


Das Immunsystem als zentrale Schaltstelle in der Abwehr vieler Erkrankungen, seien es Infektionskrankheiten, Krebs oder Autoimmunerkrankungen wie "Rheuma", ist maßgeblich in seiner Integrität und Funktion abhängig von einer ausgewogenen Ernährung und Versorgung mit Mikronährstoffen (Vitalstoffen, also Vitaminen, Mineralien bzw. Spurenelementen, aber auch bestimmten sekundären Pflanzeninhaltsstoffen), aber auch von körperlicher Fitness, also von ausreichender körperlicher Bewegung.

Dies sind die eigentlichen Fundamente eines gesunden Immunsystems. Und dem ist in der ärztlichen Praxis Rechnung zu tragen.